Archiv für 16. November 2021

NEWS Kommentar von Frau Monika Rheinschmitt zu TC

Kommentar zum Briefwechsel zwischen Kardinal Nichols (Westminster) und
Erzbischof Roche (Gottesdienstkongregation)
7.11.2021, Monika Rheinschmitt
Hier eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte der beiden Briefe:
Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster und Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, stellt in seinem Schreiben vom 28.7.2021 an Erzbischof Arthur Roche, den
Präfekten der Gottesdienstkongregation, einige Fragen zur Umsetzung des Motu proprio Traditionis custodes [TC] vom 16.7.2021:
a. Wird es ein weiteres Schreiben, zur Interpretation von TC, geben?
b. Will TC nicht nur die Meßfeier, sondern alle Sakramente im Usus antiquior abschaffen?
c. Wie soll mit den unterschiedlichen liturgischen Kalendern umgegangen werden, nach denen manche
Feste (z.B. Fronleichnam) auf unterschiedliche Daten fallen?
d. Woher sollen die Texte für die landessprachlichen Schriftlesungen im Usus antiquior genommen werden?
e. Was genau ist mit „Gruppen“ in TC gemeint?
f. Können Gläubige weiterhin (wie seit 1971 mit dem Heenan-Indult erlaubt) in ihrem Testament bestimmen, daß sie mit einen Requiem im Usus antiquior beerdigt werden wollen?
Erzbischof Roche antwortet:
a. Die Glaubenskongregation ist zusammen mit der Ordenskongregation ab jetzt für Fragen des Usus antiquior zuständig.
b. ungewollter Weise ist die Praxis aller Sakramente im
Usus antiquior stark angewachsen. TC verleiht den Ortsbischöfen in dieser Hinsicht wieder mehr Vollmachten für ihr Bistum.
c. Weitere Klärungen sind notwendig, vor voreiligen
Festlegungen wird gewarnt.
d. Für die Schriftlesungen sollen dieselben Textversionen verwendet werden wie im Novus Ordo – was
passieren soll, wenn im Novus Ordo entscheidende Sätze herausgestrichen wurden, bleibt offen.
e. Mit „Gruppen“ sind sowohl Personalpfarreien gemeint als auch Gottesdienstgemeinden.
f. Auch Erzbischof Roche hat keine Unterlagen über das Heenan-Indult von 1971. Seine Bestimmungen
sollen jedenfalls durch TC aufgehoben werden.
Eine der zentralen Fragen für den Umgang mit „Traditionis Custodes“ [TC] ist:
Wurde / ist der Usus antiquior abgeschafft oder nicht?
D.h. hat Papst Paul VI. ihn 1970 mit der Einführung des Novus Ordo abgeschafft? Oder Papst Franziskus
mit TC?
Dem Latin Mass Magazine vom 5.5.1995 ist folgende Aussage entnommen:
Schon in den 1990er Jahren sagte Kardinal Stickler in einem Interview: «1986 stellte Papst Johannes
Paul II. einer Kommission von neun Kardinälen zwei Fragen.
Erstens: ‚Verbot Papst Paul VI. oder eine andere zuständige Autorität die weit verbreitete Feier der tridentinischen Messe in der heutigen Zeit?’ Die Antwort, die acht von neun Kardinälen 1986 gaben, war:
Nein, die Messe vom hl. Pius V. wurde nie verboten: Ich kann das sagen, denn ich war einer von den
Kardinälen.
Da war noch eine sehr interessante Frage: ‚Kann ein Bischof einem Priester in gutem Ruf verbieten,
weiterhin die tridentinische Messe zu zelebrieren?’ Die neun Kardinäle waren einstimmig der Meinung,
daß kein Bischof einem katholischen Priester die Feier der tridentinischen Messe verbieten kann. Wir
haben kein offizielles Verbot und ich glaube, der Papst würde nie ein offizielles Verbot aussprechen …
eben wegen der Worte Pius V., der sagte, diese Messe wäre für immer.» Praktische Konsequenzen
hatte dies aber nicht. Selbst nach Summorum pontificum wird die Feier der überlieferten Messe von einigen Bischöfen im Ungehorsam gegenüber der päpstlichen Weisung noch behindert oder verboten.
Dieser Argumentation schließen sich auch in neuerer Zeit viele Theologen und Kirchenrechtler an, darunter
Papst Benedikt XVI. in seinem Motu proprio Summorum Pontificum [SP]:
Das vom hl. Pius V. promulgierte und vom sel. Johannes XXIII. neu herausgegebene Römische Meßbuch hat hingegen als außerordentliche Ausdrucksform derselben „Lex orandi“ der Kirche zu gelten, und
aufgrund seines verehrungswürdigen und alten Gebrauchs soll es sich der gebotenen Ehre erfreuen.
Diese zwei Ausdrucksformen der „Lex orandi“ der Kirche werden aber keineswegs zu einer Spaltung der
„Lex credendi“ der Kirche führen; denn sie sind zwei Anwendungsformen des einen Römischen Ritus.
Demgemäß ist es erlaubt, das Meßopfer nach der vom sel. Johannes XXIII. promulgierten und niemals abgeschafften Editio typica des Römischen Meßbuchs als außerordentliche Form der Liturgie
der Kirche zu feiern. … (Art. 1)
In Messen, die ohne Volk gefeiert werden, kann jeder katholische Priester des lateinischen Ritus – sei er
Weltpriester oder Ordenspriester – entweder das vom seligen Papst Johannes XXIII. im Jahr 1962 herausgegebene Römische Meßbuch gebrauchen oder das von Papst Paul VI. im Jahr 1970 promulgierte

Für eine solche Feier nach dem einen oder dem anderen Meßbuch benötigt der Priester keine Erlaubnis, weder vom Apostolischen Stuhl noch von seinem Ordinarius. (Art. 2)
Im SP-Begleitschreiben an die Bischöfe schreibt Papst Benedikt XVI.:
Was nun die Verwendung des Meßbuchs von 1962 als Forma extraordinaria der Meßliturgie angeht, so
möchte ich darauf aufmerksam machen, daß dieses Missale nie rechtlich abrogiert wurde und insofern im Prinzip immer zugelassen blieb. …
Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum
verboten oder gar schädlich sein. Es tut uns allen gut, die Reichtümer zu wahren, die im Glauben und
Beten der Kirche gewachsen sind, und ihnen ihren rechten Ort zu geben.
Papst Benedikt XVI. setzte mit SP kein neues Recht, sondern bestätigte bereits vorhandenes Recht – darum bedeutet die Außerkraftsetzung von SP nicht die Aufhebung des Rechts zur Zelebration im Usus antiquior.
Auf diese Rechtsgrundlage vertrauten auch alle Priester und Ordensleute der verschiedenen traditionellen
Institute, Priesterbruderschaften und Ordensgemeinschaften bei ihrem Eintritt ins Seminar bzw. Kloster sowie bei ihrer Weihe bzw. beim Ablegen ihrer Gelübde.
Eine Änderung dieser Rechte, d.h. eine Verletzung der Bestandsgarantie, käme einem Vertragsbruch
gleich.
Die beiden obengenannten Briefe von Kardinal Nichols und Erzbischof Roche datieren von Ende Juli/Anfang August 2021 und drücken die Erwartung aus, daß nach einer kurzen Duldungsphase der Usus antiquior abgeschafft werde.
Damals war die Reaktion der Bischöfe weltweit noch nicht bekannt – ebensowenig die der traditionsverbundenen Laien.
Inzwischen haben viele Bischöfe kundgetan, daß in ihren Diözesen die von Papst Franziskus genannten
Probleme nicht bestehen und sie um des Seelenheils der ihnen anvertrauten Gläubigen willen vorerst alles
beim Alten belassen.
Parallel dazu gab es viele kleinere und größere Protestaktionen von Laien, die die ungerechtfertigten pauschalen Vorwürfe in TC zurückwiesen und bekräftigten, daß sie weiterhin die heilige Messe im Usus antiquior mitfeiern und auch die anderen Sakramente in dieser Form empfangen wollen.
Die neueren Aussagen (im Oktober 2021) Vatikanischer Stellen tragen dieser Entwicklung Rechnung, indem nicht mehr so sehr die möglichst baldige Abschaffung des Usus antiquior betont wird, sondern dessen
„Regulierung“, d.h. die Stärkung der Macht der Ortsbischöfe, darüber zu bestimmen, wer wann wo in ihrer
Diözese heilige Messen im Usus antiquior zelebriert und die anderen Sakramente in diesem Ordo spendet.
Dies soll allerdings in Form von Ausnahmegenehmigungen geschehen, nicht in Form von „Promotion“ [Förderung/Unterstützung] – so Erzbischof Roche.
In diesem Zusammenhang soll daran erinnert werden, was bedeutende Heilige bereits in früheren Jahrhunderten zur Frage des Gehorsams sagten:
Thomas von Aquin (Summa, II-II, Q. 104, Art 5):
In der Apostelgeschichte steht: “Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg 5,29)
Manchmal ordnet ein Oberer etwas an, was gegen den Willen Gottes ist. Darum muß man den Oberen
nicht in allen Dingen gehorchen. …
Der hl. Augustinus sagt (De Verb. Dom. Viii): “Wenn der Kaiser etwas befiehlt und Gott etwas anderes
[befiehlt], so muß man das erstere mißachten und Gott gehorchen.“
In der Überzeugung, daß der überlieferte lateinische Ritus Gott wohlgefällig ist, werden die traditionellen
Katholiken auch weiterhin so beten und glauben, wie dies die Kirche seit mehr als 1500 Jahren tut.

Quelle: Pro Missa Tridentina