
Bern (novaradio.ch): Heutzutage werden die Diskussionen in der Kirche sehr heftig geführt. Die Fronten sind oft verhärtet, da jede und jeder vorgibt zu wissen, was der christliche Glaube beinhaltet. Oft wird dabei das Evangelium als eine Art Schlagstock verwendet, mit dem man auf diejenigen Menschen zuschlägt, denen man abspricht, den Glauben richtig zu verstehen. Oft fehlt in dieser Diskussion die Demut zuzugeben, dass das Evangelium für alle Menschen eine Herausforderung darstellt. Wenn wir uns betrachten, was Jesus von fordert, dann müssen wir alle mit Schrecken feststellen, dass dies das Menschenmögliche übersteigt. Wer kann so bedingungslos Freund und Feind lieben, wie Jesus dies wünscht? Wer kann so radikal die Nächsten- und Feindesliebe praktizieren, wie Jesus uns das vorgelebt hat?
Ich glaube, der erste Schritt, Gottes Willen zu erfüllen, besteht darin, anzuerkennen, dass man selbst zu schwach ist, um nach den Geboten Gottes zu leben. Diese Einsicht führt zur Demut, die eine wichtige christliche Tugend ist. Wenn wir demütig werden und uns selbst eingestehen, dass das Evangelium uns überfordert, dann wird Gott uns helfen, seine Gebote Stück für Stück zu realisieren. Vieles wird nicht von heute auf morgen möglich sein, aber mit der Zeit werden wir die Früchte dieser Demut in unserem Leben erkennen. Anstatt andere Mitmenschen zu kritisieren und ihnen vorzuwerfen, dass sie unchristlich leben, sollten wir uns in allem, was wir machen, fragen, inwiefern dies dem Evangelium entspricht. Christsein bedeutet, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen und bereit zu sein, sein Handeln zu ändern, wenn wir merken, das es Gottes Willen nicht entspricht. Christsein bedeutet aber auch, nicht zu verzweifeln, wenn wir nicht in allem perfekt sind, sondern immer wieder Schwächen an den Tag legen. Versuchen wir daher demütig zu sein, ohne jedoch die Hoffnung zu verlieren, dass Gott uns in seinen Händen hält und uns die Kraft gibt, immer wieder aufzustehen, wenn wir fallen. Ein Christ ohne Hoffnung ist kein wahrer Christ.
Demut und Hoffnung sind daher zwei zentrale christliche Tugenden, die wir uns jeden Tag zu eigen machen sollten. Durch diese beiden Tugenden werden wir auch für unsere Mitmenschen Glaubensvorbilder und tragen zur Neuevangelisierung bei. Möge Gott uns auf diesem Weg stärken und begleiten. DR