Bern (novaradio.ch): Am 11. November feierten wir einen der beliebtesten Heiligen der Kirche. Der Heilige Martin war der erste Heilige, der nicht den Märtyrertod starb. Für alle Katholiken ist er ein grosses Vorbild, dies als Laie und als Bischof. Heutzutage glauben viele Menschen, dass Laien und Priester unterschiedliche Tugenden aufweisen müssen. Dies führt oft zu einem überhöhten Priesterbild, welches in sich zusammenbricht, wenn man realisiert, dass Priester auch sündige Menschen sind. Beispielsweise haben viele Menschen die katholische Kirche verlassen, weil sie so enttäuscht sind von den Missbrauchsskandalen. Ich halte eine solche Einstellung nicht unreif. Auch wenn einzelne Priester schlimme Dinge verübt haben, so lebt die überwiegende Mehrzahl von Priestern nach den Geboten der Kirche und leistet sehr gute Dienste zu Ehren Gottes und zum Wohl der Menschen. Es ist falsch zu glauben, dass durch die Priesterweihe die Versuchungen, denen jeder Mensch ausgesetzt ist, aufhören. Wenn einzelne Priester fallen, dann ist dies kein Beweis gegen die Richtigkeit der kirchlichen Lehre, sondern dafür, dass wir alle – Laien und Priester – Gottes Barmherzigkeit und Gnade bedürfen. Der Heilige Martin war als Laie heilig und auch als Kleriker. Als Laie teilte er seinen Mantel mit einem Bettler und zeigte damit, dass wir als Christen nie an unseren materiellen Gütern hängen dürfen, sondern stets bereit sein müssen, mit den Ärmsten zu teilen. Als ihn die Gläubigen zum Bischof wählen wollten, war er so demütig, dass er sich versteckte, damit man ihn nicht findet. Erst die Gänse verrieten sein Versteck, was seine Bischofswahl ermöglichte. Auch unsere Bischöfe sollten stets demütig sein und das Amt des Bischofs nicht als Ehrenposten erachten, sondern als Möglichkeit, den Menschen zu dienen. Jedes Amt in der Kirche ist stets zuerst ein Dienst, nicht eine Machtposition. Möge das Beispiel des Heiligen Martin uns lehren, dass wir in jeder Lebenssituation, dies unabhängig von Beruf und Stand, stets Gott und den Mitmenschen dienen sollen. Es gibt keine spezifischen Tugenden für Laien und spezifische Tugenden für Priester. Alle Christen sind aufgerufen, Gottes Willen jederzeit zu suchen und zu erfüllen. DR