Mittwochskolumne vom 05.10.2022

Die Heilige Faustina

Bern (novaradio.ch): Ich entschulde mich bei Ihnen, liebe Leser, dass meine Mittwochskolumne so spät erscheint. Grund waren technische Probleme, die es mir nicht ermöglicht haben, meine Kolumne am Mittwoch per Mail zu schicken. Mich hat dies sehr traurig gemacht, da ich eine Kolumne zu Ehren der Heiligen Faustina, deren die Kirche gestern gedachte, geschrieben hatte. Ich habe nun kurzerhand entschieden, meine Kolumne völlig umzuschreiben, um noch tiefer auf das Geheimnis der Barmherzigkeit Gottes aufmerksam zu machen. Vielleicht war es die Heilige Faustina, die meinen Text für zu oberflächlich hielt, und es meinem Laptop deswegen verunmöglichte, ihn aus Frankreich zu schicken, wo ich die letzten drei Tage verbrachte. Deswegen nun hier eine längere Kolumne in der Hoffnung, dass diese Ihnen und der Heiligen Faustina gefallen möge, vor allem aber in der Hoffnung, dass diese es schafft, den Glauben und das Vertrauen an die Barmherzigkeit Gottes zu vergrössern.

Manchmal wird behauptet, dass die Theologie die Barmherzigkeit Gottes erst im 20. Jahrhundert betont hat, währenddem die früheren Jahrhunderte diese nicht so thematisierten. Priestern, Bischöfen und Päpsten, welche die Barmherzigkeit Gottes betonen, wie beispielsweise der jetzige Papst sowie seine beiden Vorgängern, wird auch vorgeworfen, dass sie eine liberale Theologie vertreten. Ich halte dies für unsinnig. Jeder Katholik, der die Barmherzigkeit Gottes betont, betont diese deshalb, weil ihm bewusst ist, wie oft er selbst an den Geboten Gottes scheitert. Barmherzigkeit macht nur dann Sinn, wenn man zuerst erkennt, dass Gott klare Gebote an uns Menschen stellt. Die Tiefe Gottes Barmherzigkeit und Liebe erkennen wir erst dann, wenn wir unsere eigene Sündhaftigkeit erkennen. Zweitens erachte ich es auch für falsch, hier eine kirchengeschichtliche Zäsur zu erblicken. Ich war in Beaune, einer sehr schönen Stadt im Burgund, die für ihren Wein bekannt ist. In dieser Stadt wurde vor über 550 Jahren ein Spital gegründet, in dem Schwestern sich aufopferungsvoll um Arme und Kranke gekümmert haben. Auch in früheren Zeiten war es für die Christen klar, dass barmherziges Handeln am Nächsten die Erfüllung des Evangeliums darstellt. Für mich stellt der Grund, weshalb Jesus gerade im 20. Jahrhundert Schwester Faustyna berufen hat, die Andacht zur Barmherzigkeit Gottes zu verbreiten, vor allem die Tatsache dar, dass der Mensch im 19. und 20. Jahrhundert die Liebe zu Gott und seinen Mitmenschen stark verloren hat. Wenn der Mensch aber gegenüber seinem Mitmenschen innerlich erkaltet, spürt er auch nicht die Liebe, die Gott zu ihm hat. Für Nicolas Rolin und seine Gattin Guigone de Salins, die das Spital in Beaune stifteten, war klar, dass der Weg zu Gott nur über den Weg zur Liebe zum Mitmenschen führt. Heutzutage führen wir in der Kirche so viele Diskussionen zur Frage ob Mundkommunion oder Handkommunion, ausserordentlicher Ritus oder ordentlicher Ritus und weitere Fragen rund um die Liturgie. Ich bin ein grosser Befürworter dessen, dass man in der Liturgie alles zur Ehre Gottes macht und keine Experimente durchführt. Vor allem bin ich auch der Auffassung, dass die Eucharistie unter keinen Umständen durch Wortgottesdienste ersetzt werden darf. Aber man soll das eine tun, ohne das andere zu lassen. Die Erneuerung der Kirche wird nicht über eine Veränderung der Liturgie gehen – weder in sogenannt progressiver noch in konservativer Richtung – sondern über das barmherzige Handeln von Menschen wie Nicolas und Guigone. Verbreiten wir also die Barmherzigkeit Gottes mit Worten und Taten. Dadurch erneuern wir die Kirche. Möge die Heilige Faustina uns auf diesem Weg unterstützen. DR

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