Zweites Vatikanisches Konzil
Bern (novaradio.ch): Am 11. Oktober vor 60 Jahren wurde das zweite Vatikanische Konzil eröffnet. Grossartige Theologen und Philosophen nahmen am Konzil teil. In persönlichen Gesprächen erlebe ich immer wieder, wie Menschen das zweite Vatikanum zitieren, jedoch in Tat und Wahrheit nicht wissen, was die Kernaussagen des Konzils waren. Für die einen ist das Konzil der Freipass für alle modernistischen Forderungen an die Kirche, für die anderen ein Schreckgespenst, welches möglichst schnell rückgängig gemacht werden sollte. Ich plädiere hier für mehr Nüchternheit in der Betrachtung dieser Frage. Zuerst einmal muss man sich in Erinnerung rufen, weshalb die Einberugung des Konzils so notwendig war. Die katholischen Monarchien sind im 19. und 20. Jahrhundert zusammengebrochen, die Welt war geteilt in Ost und West und die Stellung der Kirche war in den säkularisierten Staaten nicht mehr so prägend wie Jahrhunderte zuvor. Zudem gab es einen immer stärkeren Glaubensverlust in der Gesellschaft.
Es brauchte daher ein Aggiornamento der Kirche. Heute glauben viele, dass Aggiornamento bedeutet, die Lehre der Kirche dem Zeitgeist anzupassen. Dies stimmt so nicht. Ein Aggiornamento bedeutet, die Kirche einer neuen Situation anzupassen. Jeder Christ macht solche Anpassungen in seinem Leben durch und die Kirche als Ganzes ebenfalls. Katholisch zu sein im 18. Jahrhundert ist anders als im 21. Jahrhundert, auch wenn die zentralen Dogmen die gleichen bleiben.
Das zweite Vatikanum erkannte, dass den Laien in einer säkularisierten Gesellschaft eine wichtige Rolle zukommt. Sie müssen durch aktives Handeln das Salz und Licht der Welt sein. Das Konzil sagte jedoch nicht, dass Laien Priester in der Liturgie oder bei der Spendung der Sakramente verdrängen sollen. Diese Lesart der Konziltexte ist völlig falsch und stellt einen Missbrauch der grossen Gedanken dar, welche die Konzilsväter vor 60 Jahren hervorbrachten. Der Geist des Konzils, der immer wieder erwähnt wird, besteht nicht darin, die Kirche völlig zu verändern, sondern Formen und Wege zu finden, die frohe Botschaft in eine säkularisierte Welt zu tragen. Dies ist heute notwendiger denn je. Darum ist es die Pflicht jedes Katholiken, sich mit den Konzilstexten auseinanderzusetzen und im Geiste des Konzils zu handeln. Haben wir keine Angst davor. DR