Die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium war das erste Dokument, das vom Zweiten Vatikanischen Konzil verabschiedet wurde – am 4. Dezember 1963. Sie markiert einen Meilenstein in der Liturgiegeschichte der Kirche und bildet den Auftakt zu einem tiefergreifenden Verständnis der heiligen Liturgie in ihrer ganzen Tiefe und Schönheit. Kein Geringerer als Papst Benedikt XVI., einer der bedeutendsten Theologen des 20. und 21. Jahrhunderts, hat sich wiederholt zu dieser Konstitution geäussert und ihre Intentionen in ihrem eigentlichen theologischen Gehalt dargelegt – jenseits mancher Fehlentwicklungen, die später unter Berufung auf das Konzil erfolgten.

Der wahre Geist der Liturgiekonstitution

Für Benedikt XVI. (damals noch Joseph Ratzinger) war Sacrosanctum Concilium kein Bruch mit der liturgischen Tradition der Kirche, sondern ein Aufruf zu einer tieferen Erneuerung aus dem Geist der Kontinuität. Wiederholt kritisierte er die sog. „Hermeneutik des Bruchs“, die in der Folgezeit des Konzils zu liturgischen Experimenten und zu einer oft horizontalisierten, anthropozentrischen Sichtweise führte. Stattdessen forderte er eine „Hermeneutik der Reform in Kontinuität“ – eine Erneuerung, die im Einklang mit der überlieferten Liturgie und ihrer sakralen Ordnung steht.

Die Konstitution betont ausdrücklich die Heiligkeit der Liturgie und ihre zentrale Stellung im Leben der Kirche. Sie stellt fest: „Die Liturgie ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (SC 10). Benedikt XVI. deutet diese Aussage als einen klaren Hinweis darauf, dass alle kirchlichen Aktivitäten – auch Caritas, Mission und Verkündigung – letztlich im eucharistischen Opfergottesdienst verankert sind.

Die aktive Teilnahme – richtig verstanden

Ein weiterer Schlüsselbegriff von Sacrosanctum Concilium ist die participatio actuosa, also die tätige Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie. Benedikt XVI. warnte davor, diese Teilnahme ausschliesslich äusserlich oder aktivistisch zu deuten. Vielmehr sei damit in erster Linie eine innerliche Mitfeier gemeint – ein Mitbeten, Mitopfern, Mitvollziehen des Mysteriums Christi. Liturgische Bildung sei daher unerlässlich, um das „heilige Spiel“ der Liturgie wirklich zu verstehen und zu leben.

Latein, Gregorianik und liturgische Tradition

Entgegen dem verbreiteten Missverständnis war das Ziel der Konzilsväter nicht die Abschaffung des Lateinischen oder des Gregorianischen Chorals, sondern ihre Erneuerung im rechten Geist. Sacrosanctum Concilium hält ausdrücklich fest, dass „der Gebrauch der lateinischen Sprache in den lateinischen Riten beizubehalten ist“ (SC 36) und der gregorianische Choral „als eigener Gesang der römischen Liturgie den ersten Platz einnehmen“ soll (SC 116). Benedikt XVI. war es stets ein Anliegen, auf diese Wurzeln hinzuweisen und ihre Bedeutung für die Zukunft der Kirche zu betonen.

Reform und Rückbindung

Für Papst Benedikt war Sacrosanctum Concilium ein authentisches, geistlich tief durchdachtes Dokument, das jedoch in der Umsetzung häufig missverstanden wurde. Seine liturgische Theologie war deshalb stets von einem Bemühen getragen, zu den Quellen zurückzukehren (ressourcement) und zugleich die Fruchtbarkeit der Tradition für die Gegenwart zu erschliessen.

Mit dem Motu proprio Summorum Pontificum (2007) eröffnete er die Möglichkeit, die sogenannte „ausserordentliche Form“ des römischen Ritus – die überlieferte Liturgie – in Einheit mit der Sacrosanctum Concilium zugrunde liegenden Vision neu zu entdecken.

Fazit

Sacrosanctum Concilium ist ein tiefgründiges, liturgietheologisches Dokument, das die Liturgie nicht modernisieren, sondern vertiefen wollte. Papst Benedikt XVI. hat es verstanden, diese Konstitution in ihrem wahren Sinn zu lesen und dem liturgischen Leben der Kirche neue Impulse zu geben. In einer Zeit der liturgischen Verwirrung erinnert uns sein Zeugnis daran, dass die Liturgie nicht unser Werk ist, sondern das Werk Christi an uns – eine geheimnisvolle Begegnung mit dem Himmel auf Erden.

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