Congregatio de Cultu Divino
et Disciplina Sacramentorum
Praefectus
Vatikan Stadt, 4. August 2021
Prot. N. 378/21
Eminenz,
wir danken Ihnen für Ihr Schreiben vom 28. Juli 2021 und dafür, daß Sie Ihre Fragen zu Traditionis custodes an die Kongregation weitergeleitet haben. Die Kongregation selbst prüft derzeit aufmerksam die Auswirkungen des Motu Proprio und hat bisher noch keine Richtlinien herausgegeben. Um Ihrer Eminenz jedoch behilflich zu sein, bin ich gerne bereit, Ihnen eine erste Antwort zu geben und Ihnen unseren derzeitigen Kenntnisstand zu den von Ihnen angesprochenen Fragen mitzuteilen.
Es ist klar, daß der wichtigste Kommentar zu dem neuen Gesetz über die Gewährung der Verwendung älterer liturgischer Texte als Ausnahmekonzession und nicht als Förderung das Begleitschreiben von Papst
Franziskus an die Bischöfe ist. Es ist auch klar, daß diese Ausnahmekonzessionen nur denjenigen gewährt
werden sollten, die die Gültigkeit und Legitimität der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils und
des Lehramtes der Päpste akzeptieren. Alles, was in dem neuen Gesetz steht, ist auf die Rückkehr und
Stabilisierung der Liturgie ausgerichtet, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil verordnet wurde.
In Bezug auf Ihre einzelnen Punkte:
a. Die Kongregation für die Glaubenslehre war früher das einzige Dikasterium des Heiligen Stuhls mit Zuständigkeit in diesen Fragen. Diese Zuständigkeit ist nun vollständig auf die Kongregationen für den
Gottesdienst und die Sakramentenordnung sowie für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens übertragen worden. Sie üben nun die alleinige Zuständigkeit in ihren
jeweiligen Bereichen aus.
b. Es ist für die Kongregation klar, daß das neue Gesetz all das aufhebt, was zuvor als außergewöhnliches
und begrenztes Zugeständnis gewährt wurde. Die pastorale Klugheit kann jedoch für eine sehr be[1]grenzte Zeit und im Hinblick auf eine stärkere kirchliche Gemeinschaft eine vollständige Umsetzung des
Motu Proprio vorsehen, was jedoch eine sorgfältige Überwachung und klare Anleitung zu diesem Zweck
erfordern würde. Traditionis custodes spricht nur von der Verwendung des Missale Romanum von 1962
und von Eucharistiefeiern. Es hat eine beträchtliche Fehlinterpretation früherer Bestimmungen mit zu[1]nehmenden Gewohnheiten, Entwicklungen und Förderungen gegeben, was nicht zuletzt ein Wachstum
begünstigt hat, das von früheren Päpsten nicht vorhergesehen oder gebilligt worden war. Eine frühere
Unterbewertung der Rolle des zweiten Vatikanischen Konzils durch den Ortsordinarius als Moderator,
Förderer und Hüter der Liturgie hat sich in dieser Angelegenheit als nicht hilfreich erwiesen, weshalb der
Heilige Vater nun die Bedeutung der Rolle des Bischofs bei der vollständigen Anwendung des neuen
Gesetzes betont.
c. Das Calendarium des Missale Romanum von 1962 steht im Widerspruch zum Calendarium Romanum
Generale des Missale Romanum von 1970, das vom Konzil beschlossen wurde und das den einzigen
Ausdruck des römischen Ritus regelt. Die Bestimmungen über die obligatorischen Feste im Codex des
kanonischen Rechts von 1983 sind jedoch älter als diese beiden Kalender. Die Bischofskonferenz
müsste daher diese Fragen sehr sorgfältig abwägen, bevor sie sich an diese Kongregation wendet, um
eine Anpassung im Sinne der Canones 1246-1248 zu erreichen. Bei einer solchen Beratung und Entscheidung durch eine Bischofskonferenz müsste auch berücksichtigt werden, wie dies auch für andere
liturgische Bräuche innerhalb desselben kirchlichen Gebietes gelten würde.
d. Die Schrifttexte, die für die Lesungen im Messbuch von 1962 zu verwenden sind, sollten dieselbe Fassung der Heiligen Schrift sein, die von der Bischofskonferenz für ihren Ordo Lectionum Missae genehmigt wurde. Dies würde fast mit Sicherheit auch für andere liturgische Gebräuche innerhalb desselben
kirchlichen Gebietes gelten.
e. Der Begriff „Gruppen“ bezieht sich auf die Personalpfarreien, die früher extra für den Gebrauch der vorherigen Liturgie errichtet wurden, und auf jene Personengruppen, die sich regelmäßig zur Feier der Eucharistie unter Verwendung des Missale Romanum von 1962 versammelt haben. Gleichzeitig fordert
das Motu Proprio die Bischöfe auf, keine neuen Gruppen zu gründen.
f. Was das von Ihnen erwähnte Indult für Kardinal Heenan vom November 1971 betrifft, so haben wir unsere Archive durchsucht und nichts gefunden, was dem entspräche. Es gibt jedoch eine Korrespondenz
zwischen dem Kardinal und Bischof Wheeler über die reformierten Bestattungsriten, die auf Oktober
1971 datiert ist, aber es gibt keinen Hinweis auf ein Indult oder eine Korrespondenz in dieser Hinsicht in
dieser Akte. Wenn Sie, Monsignore, es gesehen haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Indult
und die gesamte relevante Korrespondenz dieser Kongregation zur Verfügung stellen würden. In jedem
Fall ist Traditionis custodes Nr. 8 zu beachten, das alle früheren Normen, Anweisungen, Erlaubnisse
und Bräuche aufhebt, die nicht mit dem gegenwärtigen Recht übereinstimmen. Ein früheres Indult würde
sicherlich unter dieses Verbot fallen.
Es liegt auf der Hand, daß dies ein Moment ist, der von den Seelsorgern Feingefühl für diejenigen verlangt,
die von den jetzt geltenden Gesetzen am meisten betroffen sind. Die Verwendung der früheren liturgischen
Texte wurde geregelt und nicht unterdrückt. Die Gründe dafür sind in dem Schreiben des Papstes klar dargelegt. Die Fehlinterpretation und die Förderung der Verwendung dieser Texte, nachdem frühere Päpste
nur begrenzte Zugeständnisse gemacht hatten, wurde dazu benutzt, eine Liturgie zu fördern, die von der
konziliaren Reform abweicht (und die in der Tat von Papst Paul VI. aufgehoben wurde), sowie eine Ekklesiologie, die nicht Teil des kirchlichen Lehramts ist.
Die Kopie der Korrespondenz der Latin Mass Society, die Sie Ihrem Schreiben beigefügt haben, ist ein gutes Beispiel für diese falsche Auslegung und die Förderung dieser Liturgien unter dem Deckmantel der zu[1]lässigen Gesetzgebung. Es muss ihnen sehr deutlich gemacht werden, daß allein die Bischöfe in Gemein[1]schaft mit dem Papst die Moderatoren der Liturgie sind und daß das Verständnis von Traditionis custodes
der LMS selbst, wie es von ihnen vorgeschlagen wird, keinerlei Bedeutung hat und nicht als ein maßgebli[1]cher Kommentar veröffentlicht werden sollte.
Ich hoffe, daß diese Ausführungen Ihnen zu diesem Zeitpunkt bei der Beantwortung Ihrer Fragen helfen. In
der Zwischenzeit können Sie sicher sein, daß wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Mit brüderlichen Grüßen im Herrn
+ Arthur Roche
Präfekt
+Vittorio Francesco Viola, OFM
Sekretär
His Eminence Vincent Cardinal NICHOLS
Archbishop of Westminster
Archbishop’s House
Westminster
LONDON SW1P1QJ
GRAN BRETAGNA