Selbst an den sogenannten Rändern denkt nicht jeder wie Kardinal Fridolin Ambongo, jener Mann, der der Rebellion gegen Fiducia supplicans ein Gesicht gegeben hat. Unter den Papstwählern im kommenden Konklave wird es eine gar nicht so kleine Gruppe geben, die besonders „sensibel“ für die Homo-Agenda ist.
Nicht nur Tucho Fernández. Im Heiligen Kollegium, das Franziskus mit neun außerordentlichen Konsistorien in elf Jahren geformt hat, ist der derzeitige Präfekt des Glaubensdikasteriums keineswegs der einzige Kardinal, der den Beweis lieferte, besonders sensibel für LGBT-Themen in der Kirche zu sein. Die Positionen von als ultra-progressiv geltenden Kardinälen wie den Amerikanern Blaise Cupich, Robert McElroy, Joseph William Tobin und Wilton Gregory, dem Deutschen Reinhard Marx, dem Luxemburger Jean-Claude Hollerich und dem Österreicher Christoph Schönborn zu diesem Thema sind wohlbekannt. Der Umstand, daß die Mitglieder des Kollegiums sich teils kaum untereinander kennen und wenig voneinander wissen, führt dazu, daß das Ausmaß der Unterstützung für die Homo-Gruppen, die sich für eine weitere Öffnung innerhalb der Kirche einsetzen, unterschätzt wird.
Dies gilt vor allem für die weniger prominenten Namen der zukünftigen Wähler des Franziskus-Nachfolgers. Die ungewöhnlichen Entscheidungen bei der Auswahl der neuen Purpurträger, die vom argentinischen Papst in den Konsistorien getroffen wurden, haben zu der möglicherweise fälschlichen Annahme verleitet, daß gerade aus diesen von ihm bevorzugten Rändern eine Überraschung kommen könnte, die in Diskontinuität zur Linie der „Öffnung“ des zurückliegenden Jahrzehnts steht. Der Widerstand des afrikanischen Episkopats und mehrerer Bischöfe in der ganzen Welt gegen Fiducia supplicans schien eine Bestätigung dieser Vulgata zu sein. Nicht wenige denken daher, daß die Verweigerung des pastoralen Segens für Homo-Paare das in der Richtung als ausgemacht geltende Ergebnis des nächsten Konklaves kippen und diejenigen isolieren könnte, die zu weit gehen wollen. Aber unter den Papstwählern des Heiligen Kollegiums, die Ausdruck der Ränder sind, denkt nicht jeder so wie Kardinal Fridolin Ambongo Besungu, jener Mann, der die afrikanische Rebellion gegen die Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre symbolisiert. Außerhalb Afrikas gibt es nicht wenige periphere Kardinäle, die für die Homo-Agenda sensibilisiert sind.
Kardinal Anthony Poola
Einer der aktivsten ist der Inder Anthony Poola [von Benedikt XVI. 2008 zum Bischof von Kurnool ernannt; von Franziskus 2020 zum Erzbischof von Hyderabad befördert und 2020 in den Kardinalsrang erhoben], der in seiner Diözese die HASSS (Hyderabad Archdiocese Social Services Society) leitet, die ein Ad-hoc-Programm zum „Empowering“ von Transsexuellen anbietet. Die Initiativen der Erzdiözese in diesem Bereich werden von Misereor, dem internationalen Hilfswerk der Deutschen Bischofskonferenz, finanziert. Neben lobenswerten Aktionen wie medizinischer Hilfe und Berufsausbildung für die Herstellung von Jutesäcken organisiert die HASSS auch integrative Weihnachtsfeiern und einen Frauentag, die dem Transgenderismus gewidmet sind. Kardinal Poola hat an diesen Veranstaltungen persönlich teilgenommen und bei diesen Gelegenheiten die jüngsten Öffnungen des Glaubensdikasteriums bestätigt: die Zulassung von Trans- und Homosexuellen als Taufpaten und Trauzeugen zu den Sakramenten der Taufe und der Ehe.
Kardinal Jose Fuerte Advincula
Auf den Philippinen ist es der derzeitige Metropolitan-Erzbischof von Manila, Kardinal Jose Fuerte Advincula [von Johannes Paul II. 2001 zum Bischof von San Carlos ernannt; von Benedikt XVI. 2011 zum Erzbischof von Capiz befördert; von Franziskus 2020 zum Kardinal kreiert und 2021 als Nachfolger von Kardinal Luis Antonio Tagle zum Erzbischof von Manila und Primas der Philippinen befördert], der am Gründonnerstag 2023 entschied, Ryan Borja Capitulo bewußt als Homo-Repräsentanten die Füße zu waschen, um dem Aufruf des Papstes zu folgen, „eine hörendere und barmherzigere Kirche zu werden“.
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß Capitulo selbst erklärte, daß er sich bemühe, seinen „ständigen Kampf (…) um ein Leben in Keuschheit und sexueller Reinheit zu teilen, die katholische Lehre zur Homosexualität zu leben und meine LGBT-Mitmenschen auf ihrem Glaubensweg zu begleiten“.
Kardinal Soane Patita Paini Mafi
Von Asien in den Pazifik: Soane Patita Paini Mafi, der Bischof von Tonga, von Franziskus 2015 zum Kardinal erhoben, ist ein Freund der Tonga Leitis‘ Association, der einzigen Homo-Organisation in dem polynesischen Königreich. Am 6. Dezember 2016 war Kardinal Mafi Redner auf dem Kongreß dieser Organisation und beglückwünschte die Homo-Aktivisten zu ihrer offenen Diskussion mit religiösen Führern. Bei dieser Gelegenheit sagte der Kardinal über die Rechte von Lesben und Schwulen in der Kirche: „Wir hoffen, daß wir mehr und mehr in ermutigenden Worten miteinander über diese Dinge sprechen können. Aber die Hauptsache ist, daß Sie sich akzeptiert fühlen. Sie werden in ihrer Würde gewürdigt. Sie sind von Gott geschaffene Menschen.„
In den vergangenen Jahren nahm Mafi regelmäßig an diesen Konferenzen teil. Im Dezember 2020 feierte er in der Basilika St. Antonius von Padua eine Messe für die lokale Trans-Gemeinschaft, die als „Leitis“ bekannt ist, und ließ sich neben Aktivisten mit Homo-Symbolen abbilden. Der Bischof von Tonga wirkte sogar an einem Dokumentarfilm über deren politische Kämpfe mit, der 2018 unter dem Titel „Leitis in Waiting“ veröffentlicht wurde.
Kardinal Sérgio da Rocha
Die Vertrautheit mit LGBT-Gruppen kennzeichnet auch einige der zukünftigen Wähler aus Brasilien. Das ist der Fall von Kardinal Sérgio da Rocha, dem Erzbischof von São Salvador da Bahia [von Benedikt XVI. 2008 zum Erzbischof von Teresina ernannt und 2011 zum Erzbischof von Brasilia befördert; von Franziskus 2016 in den Kardinalsrang erhoben und 2020 zum Erzbischof von São Salvador da Bahia und Primas von Brasilien befördert], der bei der Feier einer Ad-hoc-Messe für die „Opfer von Transphobie“ am 21. Mai 2021 einer Bitte des Zentrums für die Förderung und Verteidigung der LGBT-Rechte des Bundesstaates Bahia nachkam und einer gesanglichen Darbietung des Ave Maria durch eine Dragqueen am Ende der Liturgie zustimmte.
Kardinal Leonardo Ulrich Steiner
Aus Brasilien ist auch der deutschstämmige Kardinal Leonardo Ulrich Steiner OFM, der sich bereits für die Legalisierung von Homo-Partnerschaften ausgesprochen hat [von Johannes Paul II., wenige Wochen vor seinem Tod, zum Prälaten der Territorialprälatur São Félix ernannt, die Bischofsweihe spendete ihm sein Cousin Kardinal Paulo Evaristo Arns OFM; von Benedikt XVI. 2011 auf Wunsch des bereits genannten Sérgio da Rocha zum Weihbischof von Brasilia befördert; von Franziskus 2019 zum Erzbischof von Manaus und Primas von Brasilien befördert und 2022 zum Kardinal erhoben]. In Manaus befindet sich die Kirche São Sebastião, die vor drei Jahren mit kirchlicher Erlaubnis Schauplatz der Aufzeichnung eines von einer Homo-Organisation gedrehten Musikvideos war.
Kardinal Stephen Brislin
Das nächste Konklave wird, wann immer es stattfindet, ohne ein weiteres Konsistorium zur Ernennung neuer Kardinäle vor Beginn der neuen Sitzungsperiode der Synodalitätssynode im Oktober auszuschließen, die Rechnung mit dieser weit verbreiteten Homo-Sensibilität machen müssen. Es ist nicht sicher, daß jenen automatisch Zustimmung an den Rändern garantiert, indem die Frage von Fiducia supplicans bei den Generalkongregationen [vor dem Konklave] auf den Tisch gelegt wird, falls es solche überhaupt geben wird, oder allzu sehr die Muskeln dazu spielen gelassen werden, die ein Pontifikat wünschen, das nicht mit der derzeitigen Agenda übereinstimmt. Selbst in Afrika gibt es die Ausnahme des südafrikanischen Buren Stephen Brislin [von Benedikt XVI. zum Bischof von Kroonstad ernannt und 2009 zum Erzbischof von Kapstadt befördert; von Franziskus zusammen mit Tucho Fernández in den Kardinalsrang erhoben].
Das von Benedikt XVI. zur Papstwahl wiedereingeführte Zwei-Drittel-Quorum wird von jenen Kardinälen, die Einfluß nehmen wollen, verlangen, der Aufforderung des Evangeliums zu folgen, „klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben“ zu sein, im Vertrauen darauf, daß, wie Ratzinger in seiner letzten Generalaudienz in Erinnerung rief, „das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns gehört, sondern ihm. Und der Herr läßt sie nicht untergehen“.
Quelle: Katholisches.info