Von Redaktion Novaradio.ch

Das Opus Dei, 1928 vom spanischen Priester Josemaría Escrivá gegründet und 1982 von Papst Johannes Paul II. zur Personalprälatur erhoben, gilt seit jeher als einer der einflussreichsten Strömungen. Seine theologische Grundidee – die Heiligung des Alltags – steht nicht im Widerspruch zur Lehre der Kirche. Doch in Praxis und Struktur wird das Werk oft als elitär, konservativ und hierarchisch wahrgenommen. Seit dem Pontifikat von Papst Franziskus befindet sich das Verhältnis zwischen Rom und dem Opus Dei in einer Phase sichtbarer Spannungen und Umbrüche.

Die Personalprälatur auf dem Prüfstand

Im Jahr 2022 erliess Papst Franziskus das Motu Proprio Ad charisma tuendum („Zum Schutz des Charismas“), mit dem er die rechtliche Stellung des Opus Dei neu regelte. Damit unterstellte er die Personalprälatur nicht länger direkt der Kongregation für die Bischöfe, sondern der neu geschaffenen „Dikasterie für den Klerus“. Auch die bisher übliche Praxis, dass der Prälat des Opus Dei Bischofswürde erhält, wurde zurückgenommen. Dies hatte kirchenrechtlich wie symbolisch erhebliche Konsequenzen: Das Werk soll künftig nicht mehr wie eine kleine Diözese mit Bischof auftreten, sondern stärker in die allgemeine Struktur des Klerus eingebunden werden.

Kanonisten sehen hierin eine Rückführung des Werks in eine klarere Einordnung innerhalb der Kirchenhierarchie. Kritiker des Opus Dei sprechen gar von einem „Machtverlust“. Befürworter des Motu Proprio hingegen betonen, dass das Charisma des Opus Dei nicht in seiner rechtlichen Sonderstellung liege, sondern in seiner geistlichen Sendung – und diese werde durch eine stärkere Kontrolle nicht geschmälert, sondern klargestellt.

Franziskus‘ Vision von Kirche

Der theologische Grundton des Pontifikats von Franziskus ist synodal, barmherzigkeitsorientiert und sozial ausgerichtet. Franziskus mahnt zu Bescheidenheit im Amt, zur Nähe zu den Armen und zu einer Dezentralisierung kirchlicher Macht. In dieser Perspektive erscheinen Organisationen mit ausgeprägter innerer Disziplin, hierarchischer Struktur und elitärem Anspruch als Relikte einer Kirche, die Franziskus überwinden will. Zwar hat der Papst das Opus Dei nie öffentlich kritisiert, doch seine Massnahmen – administrativ, kirchenrechtlich und personell – sprechen eine deutliche Sprache.

Das Spannungsverhältnis ist daher nicht offen feindlich, aber strukturell spürbar. Das Opus Dei betont weiterhin seine Treue zum Papst, äussert sich aber auffällig vorsichtig zu den jüngsten Entwicklungen. In internen Publikationen und Reden des Prälaten wird immer wieder das eigene „Charisma“ beschworen – ein Hinweis darauf, dass man sich durch vatikanische Eingriffe in der Identität bedroht fühlt.

Theologische Differenzen?

Auch auf der theologischen Ebene zeigen sich Reibungen. Das Opus Dei steht für eine Spiritualität, die Arbeit, Beruf und familiären Alltag zur Arena der Heiligkeit erhebt – eine Idee, die grundsätzlich gut in die franziskanische Demutsidee passt. Doch die Verwirklichung dieser Spiritualität erfolgt oft in einer strengen, moralisch anspruchsvollen und nicht selten exklusiv wirkenden Weise. Der individualisierte Heiligungsweg des Opus Dei steht damit dem gemeinschaftlich-synodalen Kirchenbild von Papst Franziskus gegenüber.

Wo Franziskus auf die Kirche als „Feldlazarett“ setzt, das sich den Verwundeten zuwendet, betont das Opus Dei eher die Schulung und Formung der „geistlichen Elite“. Hier liegt kein direkter Widerspruch, wohl aber eine Spannung in der Gewichtung von Gnade, Disziplin und pastoraler Praxis.

Was Papst Leo XIV. wiederherstellen könnte

Sollte Papst Leo XIV. eine Rückkehr zur früheren Sonderstellung des Opus Dei anstreben, wären dafür mehrere kirchenrechtliche Schritte notwendig. Zunächst müsste das Motu Proprio Ad charisma tuendum durch ein neues päpstliches Dokument ganz oder teilweise aufgehoben werden. Die Personalprälatur müsste wieder direkt der Bischofskongregation (heute: Dikasterium für die Bischöfe) unterstellt werden, womit sie eine gewisse Autonomie gegenüber der üblichen Klerusverwaltung zurückerhielte.

Zudem müsste dem Prälaten erneut die Möglichkeit eingeräumt werden, die Bischofswürde zu empfangen – was symbolisch die kirchenrechtliche Nähe zur Diözesanstruktur betonen würde. Auch könnte Papst Leo XIV. die Apostolische Konstitution Ut sit (1982), die die Gründung der Personalprälatur regelt, mit einem erläuternden Zusatz oder einer neuen Interpretation bekräftigen und das besondere „juridische Profil“ des Werkes hervorheben.

Kirchenpolitisch wäre dies ein starkes Signal an konservative Kreise, dass unter Leo XIV. eine gewisse Rehabilitierung und Stärkung traditioneller geistlicher Gemeinschaften erfolgt – mit möglichen Auswirkungen auch auf andere Institutionen wie die Petrusbruderschaft oder das Institut Christus König.

Ein Werk in der Transformation

Ob das Opus Dei in seiner bisherigen Form bestehen bleiben kann, ist offen. Klar ist: Franziskus hat das Werk aus seiner privilegierten Stellung herausgeführt und unter die gewöhnlichen Regeln der kirchlichen Verwaltung gestellt. Diese Normalisierung ist keine Verurteilung – aber ein Weckruf. Das Opus Dei steht vor der Herausforderung, seine Sendung im Licht eines sich wandelnden kirchlichen Umfelds neu zu reflektieren.

In einer Zeit, in der viele Laien auf mehr Mitbestimmung und weniger Klerikalismus hoffen, wird sich zeigen, ob das Opus Dei sein Charisma als geistliches Angebot für die Kirche von morgen erneuern kann – oder ob es in einem Systemverharren die geistliche Lebendigkeit verliert, die es einst zu einem Aufbruch gemacht hat.

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