Ein frühes Signal aus Rom – geistlich, aber politisch nicht folgenlos
Rom – Es war ein kurzer Moment, aber mit deutlicher Symbolkraft: Beim traditionellen Regina Caeli an seinem ersten Sonntag als Papst richtete Leo XIV. einen besonderen Gruss und ein Gebet an „unsere Brüder und Schwestern in China“. Nur sechs Tage nach seiner Wahl setzt der neue Pontifex damit einen ersten aussenpolitisch bedeutungsvollen Akzent – und lenkt den Blick der Weltkirche auf die oft vergessenen Katholiken im Reich der Mitte.
„Wir denken in besonderer Weise an die Gläubigen in China, die ihren Glauben oft unter schwierigen Bedingungen leben. Möge der Herr sie stärken, und möge Maria, die Hilfe der Christen, sie beschützen und begleiten“, sagte der Papst von der Loggia des Apostolischen Palastes. Worte des Trostes, aber auch Worte, die aufhorchen lassen – denn die Lage der katholischen Kirche in China bleibt angespannt.
Zwischen Loyalität zu Rom und staatlicher Kontrolle
In China leben schätzungsweise 10 bis 12 Millionen Katholiken – ein Teil von ihnen organisiert sich in der staatlich kontrollierten Patriotischen Vereinigung, die sich vom Papsttum distanziert. Andere wiederum bleiben in der sogenannten Untergrundkirche dem Papst treu, leben ihren Glauben aber unter Repressionen, Überwachung und teilweise Verfolgung.
Das 2018 geschlossene Abkommen zwischen dem Vatikan und Peking über die Ernennung von Bischöfen, das unter Papst Franziskus mehrfach verlängert wurde, sollte eigentlich einen Ausgleich schaffen – hat jedoch in der Praxis kaum zur Entspannung beigetragen. Kritiker werfen Rom vor, der chinesischen Regierung zu viele Zugeständnisse gemacht zu haben, während gleichzeitig der treue Teil der Kirche im Untergrund immer weiter entrechtet werde.
Geistliches Bekenntnis – oder diplomatischer Auftakt?
Mit seinem Gebet für China verzichtet Papst Leo XIV. bewusst auf politische Spitzen oder offene Kritik – und doch ist seine Botschaft unüberhörbar: Er denkt zuerst an die leidenden Gläubigen. In der Diplomatie des Heiligen Stuhls ist das kein Zufall, sondern oft die erste Etappe eines Richtungswechsels. Kein Paukenschlag, aber ein leiser, fast kontemplativer Hinweis auf kommende Prioritäten.
Leo XIV. wird von vielen als konservativ, zugleich aber auch als spirituell tief verwurzelt beschrieben. Dass sein erster öffentlicher Impuls über die Grenzen Europas hinausging, zeigt, dass er die Weltkirche im Blick hat – und vor allem die Ränder der Kirche, zu denen man die chinesischen Katholiken mit gutem Grund zählen kann.
Zwischen Vatikan und Verfolgung: Der lange Schatten von Hongkong
Dass der neue Papst mit seinem Gebet auch das Schicksal der Katholiken in Hongkong, Macau und den ländlichen Provinzen Chinas in den Blick nimmt, darf angenommen werden – auch wenn er es nicht ausdrücklich sagte. Kardinal Joseph Zen, eine zentrale Stimme der chinesischen Untergrundkirche und prominenter Kritiker des bisherigen China-Kurses, hatte sich immer wieder beklagt, dass Rom zu wenig tue. Die Erwähnung Chinas durch Leo XIV. kann daher auch als stille Anerkennung dieser Stimmen verstanden werden.
Ein leiser Auftakt mit möglicher Tragweite
Wird Papst Leo XIV. den bisherigen diplomatischen Kurs fortführen oder neu justieren? Wird er dem Thema Religionsfreiheit in China mehr Gewicht geben als sein Vorgänger? Noch ist es zu früh für klare Prognosen. Doch wer zwischen den Zeilen liest, erkennt: Der neue Pontifex will nicht schweigen – auch nicht über das Leid jener, die ihre Treue zu Christus unter schwierigen Bedingungen leben müssen.