Unser Kolumnist, Herr Daniel Ric, hat Gedanken zum Referendum geschrieben.
Abstimmung Ehe für alle
Bern, 02.10.2021 (novaradio.ch). Das Schweizer Stimmvolk hat letzten Sonntag mit 64% der „Ehe für alle“ zugestimmt. Damit dürfen nun auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Bereits jetzt werden Forderungen von kirchlichen Exponenten laut, auch den kirchlichen Ehebegriff anzupassen. Die Überzeugung, welche bei diesen Gedanken dominiert, ist diejenige, dass die Mehrheit nicht irren könne. Wenn die Mehrheit der Meinung ist, dass die Ehe nicht nur eine Verbindung zwischen Mann und Frau darstellt, sondern beliebig auf Paare ausgedehnt werden kann, dann muss auch die Kirche dieses Votum übernehmen. Dieser Vorstellung sind zwei Überlegungen entgegenzuhalten. Erstens sind auch hohe 64% bei einer Stimmbeteiligung von rund 52% noch keine Mehrheit des Stimmvolkes, sondern rund ein Drittel. Hinzu kommen die noch rund 25% Ausländer, die kein Stimmrecht haben. Die Auffassung zu vertreten, die Mehrheit des Volkes befürworte die Ehe für alle, ist eine Interpretation der Resultate, die stimmen mag, jedoch nicht stimmen muss.
Zweitens ist jede Abstimmung eine Momentaufnahme, die keine absolute Wahrhaftigkeit beanspruchen darf. Ein Blick in die Schweizer Geschichte zeigt, dass es oft Abstimmungen gab, die später vom Volk revidiert wurden. Oder gibt es jemanden, der sagen würde, dass die Ablehnung des Frauenstimmrechtes 1959 richtig war, wenn doch nur schon 12 Jahre später das Stimmvolk seine Meinung änderte? Diejenigen Katholiken, die nun fordern, die Kirche müsse ihren Begriff von Ehe der Mehrheitsmeinung anpassen, überhöhen die demokratische Momentaufnahme, indem sie etwas Absolutes darin erkennen, das nur Gott zukommen darf. Die Haltung der lehramtstreuen Katholiken, die betonen, man könne die katholische Moral nicht dem Zeitgeist anpassen, entspricht daher nicht einem rigiden Konservatismus, sondern dem Glauben, dass menschliche Auffassungen nichts Absolutes beinhalten. Für den Katholiken sprechen zwei Gründe für die Beibehaltung des kirchlichen Ehebegriffs. Einerseits naturrechtliche Überlegungen, die doch klar nahelegen, dass die liebende Verbindung zwischen Mann und Frau einen besonderen Schutz verdient, und andererseits die Heilige Schrift, die auch bei einer sehr kreativen Auslegung schwer für eine Ausweitung des Ehebegriffs umzuinterpretieren ist. Die Katholiken sollten sich daher nicht durch diese oder andere Abstimmungen einschüchtern lassen, sondern sich weiterhin in Gesellschaft, Politik und Kirche für christliche Werte einsetzen.