Im Gespräch mit: Pater Martin Ramm FSSP

Pater Martin Ramm, von der Petrusbruderschaft Schweiz, stellte sich den Fragen von Davor Novakovic zum neuen Buch „Heiliges Land“.

Erklärung der Liturgie: Teil 13

NEWS: TC in Baltimore

Erzbischof Lori von Baltimore exekutiert Traditionis Custodes

Erzbischof William Lori von Baltimore hat mitgeteilt, daß das römische Indult für die weitere Feier der überlieferten Liturgie in der Pfarrkirche St. Mary’s im August ausläuft und nicht verlängert wird. Überraschen kann das niemanden, denn wie der Erzbischof mitteilt:

bestand das Ziel des Indults darin, den Gläubigen, die an die Messe nach dem Missale von 1962 gewöhnt waren, Gelegenheit zu geben, Katechese und Information entgegenzunehmen, die sie dazu befähigen würde, den Novus Ordo von ganzem Herzen anzunehmen.

Das gibt die Zielsetzung von Traditionis Traditores in der Tat zutreffend wieder, und die Bergoglianer haben daraus auch nie ein Geheimnis gemacht.

Von Maryland GovPics – Meeting Archbishop Lori, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=144159680

Nun, die Gläubigem, die der Feier der überlieferten Liturgie anhängen, hatten inzwischen in der Katechese von Franziskus und seines Handlangers Fernandez mehr als genug Gelegenheit, zu erfahren, worum es denen geht, die am aggressivsten versuchen, die Neue Ordnung von Liturgie und Lehre durchzusetzen: Sie wollen tatsächlich mit Hilfe der neuen lex orandi eine neue lex credendi durchsetzen, die in vielem schon eine neue Religion darstellt. Eine Säkularreligion, die in vielem nicht mehr die apostolische Tradition, sondern die jeweils opportunen Strömungen des Zeitgeistes zur Richtschnut macht – bis hin zu seinen verderblichsten Spielarten.

Nicht alle, die den Novus Ordo feiern oder mitfeiern, verfolgen dieses Zeil – das kann man gerade in den USA an vielen Beispielen belegt finden. Es ist auch nicht mit Sicherheit zu belegen, daß die Architekten der neuen Ordnung bewußt auf dieses Ziel hinsteuerten. Aber 60 Jahre praktische Erfahrung, „Katechese der Realität“, wenn man so sagen kann, haben zur Genüge verdeutlicht, daß diese neue Ordnung, denen, die dieses Ziel verfolgen, reichlich Ansatzpunkte und Mittel dazu in die Hand gibt.

Und genau daraus erklärt es sich, daß die Propagandisten der neuen Säkularreligion jetzt auch Schritt für Schritt und Diözese für Diözese die Schraube weiter anziehen, um die Gläubigen in die neue Ordnung hinein zu pressen. Dazu scheuen sie auch nicht vor der Anwendung von Mitteln zurück, die man als Gewissenszwang und geistlichen Mißbrauch bezeichnen muß. Sie mißbrauchen die vielen Katholiken nachgerade in der DNA eingebaute Neigung zum Gehorsam, um den eigenen Ungehorsam und die eigene Widersetzlichkeit gegen Lehre und Tradition der Kirche durchzusetzen.

Damit stellt sich immer dringlicher die Frage, wie die Katholiken, die dieses schändliche Spiel durchschaeun, sich zur Wehr setzen können. In Baltimore – nebenbei bemerkt die älteste Diözese in den Vereinigten Staaten – gibt es jetzt nur noch eine offiziell geduldete „alte Messe“ am Sitz der Petrusbruderschaft in Baltimore selbst. Bewohner anderer Teile des Bistums werden künftig Fahrten von 90 Minuten oder länger auf sich nehmen müssen, wenn sie nicht gefahr laufen wollen, in der nächstgelegenen Novus-Ordo-Pfarrei üblen liturgischen Mißbräuchen oder häretischen Predigten ausgesetzt zu werden. Ganz abgesehen davon, daß viele es auch als Gewissenspflicht ansehen, nicht nur für sich selbst einen Meßort zu finden, an dessen Liturgie sie ohne Bauchschmerzen teilnehmen können, sondern auch ein weiterreichendes Ziel im Auge zu behalten: Alles dafür zu tun, daß auch ihre Kinder noch solche Orte der überlieferten Lehre und Liturgie vorfinden.

Einen ersten Hinweis, wie das zu erreichen ist, gibt das oben gebrauchte „offiziell geduldet“. Wo die offizielle Duldung für das, was nicht verboten und nicht geändert werden kann, entzogen wird, müssen inoffizielle Mittel gefunden werden. Das gilt umso mehr, als derzeit niemand sicher sagen kann, wie lange der Petrusbruderschaft noch offiziell gestattet wird, ihrem Gründungscharisma zu folgen.

Wie diese Mittel dann konkret aussehen, ist nach der Situation am Ort und nach der Leistungsfähigkeit der Gemeinden zu entscheiden. Eines wird aber jetzt schon deutlich: Mit der in Europa über Jahrhunderte gewachsenen Konsumentenhaltung, in der die Gläubigen eine „Grundversorgung“ mit einigermaßen solider Liturgie und Lehre als von oben gegeben voraussetzen konnten, ist es auf absehbare Zeit vorbei. Eigenaktivität wird in den kommenden wirren Zeiten eine immer stärere Rolle spielen müssen. Viele Amerikaner sind darauf entsprechend ihrer Geschichte auch recht gut vorbereitet. Für Europäer und die Deutschen insbesondere zeichnet sich großer Nachholbedarf ab.

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Nachtrag: Die Erzdiözese Baltimore scheint zu den nicht wenigen amerikanischen Diözesen zu gehören, in denen der Novus Ordo und seine „dem modernen Menschen angemessene“ Theologie ohne größeren Erfolg eingeetzt wird, um den Bewohnern des 21. Jahrhunderts eine spirituelle Heimat zu bieten und sie auf dem Weg zum ewigen Heil voranzubringen. Gerade vor wenigen Tagen hat die Diözese Pläne veröffentlicht, die bisherige Zahl von 61 Pfarreien in der von knapp 600 000 Menschen (darunter 15% Katholiken) bewohnten Stadt Baltimore auf 21 zu verringern. Es fehlt an Priestern und die zu vielen Kirchen sind zu wenig besucht. Diverse zum Teil recht ansehnliche Komplexe von Kirche mit Pfarrhaus und Schule werden zum Verkauf kommen.

Nun scheinen 61 Pfarreien für etwa 45 000 Seelen tatsächlich sehr reichlich bemessen – zumindest aus deutscher Perspektive gesehen. Aber es hat ja wohl mal Zeiten gegeben, in denen die vielen Pfarreien – womöglich auch noch mit Kaplänen und Gemeindeschwestern angereichert – einmal gut ausgelastet waren. Vermutlich irgendwann in den finsteren Zeiten vor DEM KONZIL und dem neuen Frühling. Lang, lang ists her…

Aber vielleicht hat der Schrumpfungsplan auch sein Gutes: Wenn sich genügend Traditionalisten finden, um eine der bald frei werdenden Nicht-Mehr-Pfarrkirchen zu erwerben, in der dann ganz regulär die überlieferte Liturgie gefeiert werden könnte.

Quelle: Summorum Pontificum.de

NEWS: Zwei Kardinäle zeigen den Ausweg

Die Beiträge zweier hochrangiger Prälaten dürfen nicht ignoriert werden: die eine von Robert Kardinal Sarah, die sich am 9. April an die Bischöfe von Kamerun wandte; die andere von Walter Kardinal Brandmüller, der am 30. März per kath.net an seine deutschen Landsleute schrieb. Obwohl sie sich in ihrem Inhalt, ihrem Ton und ihrer Art unterscheiden, schlagen sie doch den gleichen Ton an: Beseelt von der wahren Liebe zur Braut Christi, appellieren diese Nachfolger der Apostel an ihre Herde, den Glauben in der Kirche wiederzuerlangen – jeder erfüllt seine besonderen Pflichten je nach seinem Stand – als Bischöfe, Priester oder Laien. Die eindringlichen Bitten der Kardinäle kommen zur Halbzeit der laufenden Synode über Synodalität.

Kardinal Sarah lobte zu Beginn seiner bewegenden Rede in Kamerun seine Mitbrüder im Bischofsamt für ihre „mutige und prophetische“ Antwort auf die Bittsteller der Fiducia, in der sie die Möglichkeit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnten, die durch das vatikanische Dokument autorisiert ist. „Wenn Sie an die katholische Lehre zu diesem Thema erinnern“, so der Kardinal, „haben Sie der Einheit der Kirche sehr und zutiefst gedient. Ihr habt ein Werk der pastoralen Nächstenliebe vollbracht, indem ihr euch an die Wahrheit erinnert habt.“

Insbesondere von den afrikanischen Bischöfen wird allgemein erwartet, dass sie, wenn nötig, in der bevorstehenden zweiten Sitzung der Synode über Synodalität im Oktober eine starke Haltung zur Sexualmoral einnehmen, und Kardinal Sarah betonte, dass es „wesentlich“ sei, dass sie dies „im Namen der Einheit des Glaubens und nicht im Namen bestimmter Kulturen“ tun.

Ihr unmissverständlicher Widerstand gegen die Fiducia Supplicans war von den vatikanischen Behörden als „Sonderfall“ Afrikas abgetan worden. Diese Ablehnung wiederholte die berüchtigten Äußerungen von Walter Kardinal Kasper, der, als er während der Familiensynode 2014 über die Opposition der afrikanischen Bischöfe gegen die homosexuelle Agenda sprach, zu Protokoll gab, dass sie „uns nicht zu viel sagen sollten, was wir zu tun haben“.

Kardinal Sarah verurteilte in scharfem Gegensatz dazu die Vorstellung, dass afrikanische Bischöfe die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aufgrund bestimmter kultureller Gegebenheiten, die für Afrika spezifisch sind, ablehnen, und forderte die Bischöfe auf, sich vor der nächsten Sitzung der Synode „mit großer Wachsamkeit“ vor diesem Punkt zu hüten. Der guineische Kardinal erklärte:

„Einige im Westen wollen uns glauben machen, dass Sie im Namen des afrikanischen kulturellen Partikularismus gehandelt haben. Es ist falsch und lächerlich, ihr solche Zwecke zuzuschreiben! Einige haben in einer Logik des intellektuellen Neokolonialismus behauptet, dass die Afrikaner aus kulturellen Gründen „noch“ nicht bereit seien, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Als ob der Westen den rückständigen Afrikanern voraus wäre. Nein! Sie haben für die ganze Kirche gesprochen »im Namen der Wahrheit des Evangeliums und für die Menschenwürde und das Heil der ganzen Menschheit in Jesus Christus«. Ihr habt gesprochen im Namen des einen Herrn, des einen Glaubens der Kirche. Wann sollte die Wahrheit des Glaubens, die Lehre des Evangeliums, jemals bestimmten Kulturen unterworfen werden? Diese Vision eines Glaubens, der den Kulturen angepasst ist, zeigt, wie sehr der Relativismus die Einheit der Kirche spaltet und korrumpiert.“

Kardinal Sarah verurteilte die „Diktatur des Relativismus“ und beschrieb sie als „Verletzung der Lehre und der Moral an bestimmten Orten unter dem Vorwand der kulturellen Anpassung“. Er sagte:

„Und sie werden Ihnen mit falscher Höflichkeit sagen: ‚Seien Sie versichert, dass wir Ihnen in Afrika diese Art von Innovation nicht aufzwingen werden. Du bist kulturell noch nicht bereit.“

„Aber wir, die Nachfolger der Apostel, sind nicht dazu bestimmt, unsere Kulturen zu fördern und zu verteidigen, sondern die universale Einheit des Glaubens! Wir, die Bischöfe von Kamerun, handeln nach Ihren Worten „im Namen der Wahrheit des Evangeliums und für die Menschenwürde und das Heil der ganzen Menschheit in Jesus Christus“. Diese Wahrheit ist überall dieselbe, in Europa ebenso wie in Afrika und den Vereinigten Staaten.“

Es waren natürlich die europäischen Missionare, die einst Afrika evangelisierten, und Kardinal Sarah, die den „geheimnisvollen Plan der Vorsehung“ erkannte, wies darauf hin, dass „es heute gerade die afrikanischen Episkopate sind, die die Universalität des Glaubens gegen die Verfechter einer zersplitterten Wahrheit verteidigen; die Verteidiger der Einheit des Glaubens gegen die Befürworter des Kulturrelativismus“ des Westens.

Er hielt es für nicht verwunderlich, dass »die Bischöfe Afrikas in ihrer Armut heute die Verkünder dieser göttlichen Wahrheit angesichts der Macht und des Reichtums gewisser Episkopate des Westens sind«, denn »was für die Welt töricht ist, hat Gott erwählt, um die Weisen zu verwirren; was für die Welt schwach ist, hat Gott erwählt, um die Starken zu verwirren; was in der Welt abscheulich und verachtet ist, was nichts ist, das hat Gott erwählt, um das zunichte zu machen, was ist.“ (1 Kor 1,28)

Als Kardinal Sarah über die Gründe für diese relativistische Zersplitterung der Wahrheit nachdachte, identifizierte sie „eine Art psychologische Angst“, die sich im Westen ausgebreitet hat: „die Angst, im Widerspruch zur Welt zu stehen“. Der Kardinal sprach insbesondere von den vielen westlichen Prälaten, die „von der Idee gelähmt sind, sich der Welt zu widersetzen“, die „davon träumen, von der Welt geliebt zu werden“ und in der Tat „den Willen verloren haben, ein Zeichen des Widerspruchs zu sein“, und stellte die Verbindung zum praktischen Atheismus her, der die Kirche heute befällt:

„Ich glaube, dass die Kirche unserer Zeit vom Atheismus versucht wird. Nicht intellektueller Atheismus, sondern dieser subtile und gefährliche Geisteszustand: fließender und praktischer Atheismus. Letzteres ist eine gefährliche Krankheit, auch wenn die ersten Symptome harmlos erscheinen. …

„Wir müssen uns dessen bewusst werden: Dieser fließende Atheismus fließt durch die Adern der zeitgenössischen Kultur. Sie wird nie beim Namen genannt, aber sie dringt überall ein, auch im kirchlichen Diskurs. Seine erste Wirkung ist eine Form der Schläfrigkeit des Glaubens. Es betäubt unsere Fähigkeit zu reagieren, Fehler und Gefahren zu erkennen. Sie hat sich in der ganzen Kirche ausgebreitet.“

Als weiteren Weg forderte Kardinal Sarah seine Mitbrüder im Bischofsamt auf, „anders zu denken“. Er plädierte:

„Wir dürfen uns nicht auf Lügen einlassen! Das Wesen des fließenden Atheismus ist das Versprechen eines Ausgleichs zwischen Wahrheit und Lüge. Es ist die größte Versuchung unserer Zeit! Wir alle sind schuldig der Anpassung, der Komplizenschaft mit dieser großen Lüge, die der fließende Atheismus ist! Wir geben vor, christliche Gläubige und Männer des Glaubens zu sein, wir zelebrieren religiöse Riten, aber in Wirklichkeit leben wir als Heiden und Ungläubige.“

Der Kardinal beendete seine große Berufung, einen anderen Weg in der Kirche zu finden, mit aller geistlichen Kraft, die ihm gegeben wurde:

„Als Pastor möchte ich Sie heute von ganzem Herzen einladen, diese Entscheidung zu treffen. Wir dürfen keine Parteien in der Kirche schaffen. Wir dürfen uns nicht zu den Rettern dieser oder jener Institution erklären. All dies würde zum Spiel des Gegners beitragen. Aber jeder von uns kann heute entscheiden: Die Lüge des Atheismus wird in mir keinen Platz mehr finden. Ich will nicht mehr auf das Licht des Glaubens verzichten, ich will nicht mehr aus Bequemlichkeit, Faulheit oder Konformismus Licht und Finsternis in mir zusammenleben lassen. Es ist eine sehr einfache Entscheidung, innerlich und konkret zugleich. … Wenn du die Welt nicht verändern kannst, kannst du dich selbst ändern. Wenn sich alle demütig dazu entschließen würden, würde das System der Lüge von selbst zusammenbrechen, denn seine einzige Stärke ist der Platz, den wir in ihm in uns schaffen. …

„Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, indem Gott uns den Glauben anbietet, öffnet er seine Hand, damit wir unsere Hand dorthin legen und uns von ihm leiten lassen. Wovor werden wir Angst haben? Das Wichtigste ist, dass wir unsere Hand fest in seiner halten! … Den Geist des Glaubens zu bewahren bedeutet, auf jeden Kompromiss zu verzichten, sich zu weigern, die Dinge anders als durch den Glauben zu sehen. Es bedeutet, unsere Hand in Gottes Hand zu halten. …

„Der Glaube erzeugt Kraft und Freude zugleich. Der Herr ist meine Festung, vor wem soll ich mich fürchten?“ (Ps 27,1) Die Kirche liegt im Sterben, verseucht von Bitterkeit und Parteilichkeit, und nur der Geist des Glaubens kann ein wahres brüderliches Wohlwollen begründen. Die Welt stirbt, verschlungen von Lügen und Rivalität, und nur der Geist des Glaubens kann ihr Frieden bringen.“

Walter Kardinal Brandmüller, der Anfang dieses Jahres seinen fünfundneunzigsten Geburtstag feierte, schrieb über das gleiche Problem – den Verlust des Glaubens in der Kirche –, wandte sich aber an seine deutschen Landsleute. Er stellte zunächst fest, dass der „Synodale Weg“ erwartungsgemäß „längst vom Weg abgekommen“ sei. Er beklagte die „achtlose Verschwendung“ von Millionen an Kirchensteuergeldern und, was „viel schlimmer“ sei, Meinungsverschiedenheiten in „zentralen Fragen des Glaubens und der Moral“, auch innerhalb des Episkopats, die der Einheit der gesamten Kirche „schweren Schaden“ zufügten und zu „Häresie und Schisma“ führten. Der Kardinal fügte zu dieser „Massenabtrünnigkeit“ hinzu und hob die Tatsache hervor, dass von den getauften Katholiken noch etwa fünf Prozent am religiösen, sakramentalen Leben der Kirche teilnehmen.

„Wie lange noch?“, fragt der Kardinal, wird der Apparat seine Arbeit fortsetzen und dabei die Tatsache ignorieren, dass Millionen die Kirche verlassen, solange die Spendenbüchse voll ist. Er reflektiert über „den Erfolg des deutschen Wirtschaftswunders“ nach dem Zweiten Weltkrieg, der eine „immer dichter werdende Wolke des materialistischen Zeitgeistes“ mit sich brachte und „den Blick zum Himmel zu versperren begann“. Das Ergebnis der Flut materieller Güter ist „eine nachchristliche, atheistische Gesellschaft, in der das Christentum – die Kirche – nur ein Nischendasein fristet“, während es ignoriert, verachtet und bekämpft wird.

Der Kardinal reflektiert weiter, dass „eine nüchterne Bewertung schnell zeigt, dass die Versuche, die einstige Partnerschaft zwischen Staat, Gesellschaft und Kirche wiederzubeleben, längst aussichtslos geworden sind“.

„Die jüngste Gesetzgebung“, stellt er fest, „hat auch im Bereich der Ehe-, Familien- und Gesundheitspolitik Maßstäbe gesetzt, die die christliche Moral- und Soziallehre, ja die seit der Antike entwickelte Anthropologie ad absurdum führen.“ Er kommt zu dem Schluss, dass „kaum eine denkbare Perversion – von der In-vitro-Fertilisation über die Euthanasie bis hin zum assistierten Suizid – ausgeschlossen ist“.

Folglich müsse ein Christ, ein Katholik, „in dieser menschlichen, kulturellen Wüste Oasen finden und schaffen, in denen er noch frei atmen und überleben kann“. Der Kardinal erläutert den einzigen Weg, den er für möglich hält:

„So muss nun, je nach den gegebenen Umständen, der Übergang von der Landeskirche zur Gemeindekirche weitestgehend ohne schmerzhafte Unterbrechungen eingeleitet werden …

„Damit einher geht auch eine entschiedenere Betonung des Selbstverständnisses der Priester.“

Hier verweist der Kardinal auf den alten Weiheritus, in dem die Pflichten des Priesters aufgeführt waren: das heilige Opfer darzubringen, zu segnen, die Gemeinde zu leiten, zu predigen und zu taufen.

„Bezeichnend“, so Kardinal Brandmüller, „ist die Erwähnung der Pfarrverwaltung, der Ausschüsse, der Vermögensverwaltung und der Verwaltung sozialer Einrichtungen oder anderer Arbeiten nicht vorgesehen.“ Wie im Mittelalter ist auch heute noch die Liste der Pflichten, die im traditionellen Weiheritus festgelegt sind, die Arbeit, zu der der Priester geweiht ist.

Darüber hinaus müsse »diese Unterscheidung, die dem Priester nur die praeesse – den ›Vorsitz‹ oder die Leitung der Kongregation – vorbehält, vorgenommen werden, um dem Priester die Freiheit zu geben, seine eigentliche Sendung zu erfüllen: Verkündigung, Liturgie, Spendung der Sakramente und Seelsorge«, die von anderen nicht erfüllt werden kann.

Kardinal Brandmüller richtet seinen Blick auf die „Laien“ und fordert sie auf, auch ihrer eigenen Berufung zu folgen: „Ihr Verantwortungsbereich ist nicht die Kanzel und der Altar, sondern, wie das Zweite Vatikanische Konzil betont, ‚die Welt‘, in der die Kirche ihre Sendung zu erfüllen hat.“

„Eine solche Arbeitsteilung“, so der Kardinal, „ermöglicht es dem Priester, die notwendige Zeit für eine gewissenhafte Vorbereitung auf Predigten, Katechesen, pastorale Gespräche sowie für sein eigenes geistliches Leben zu gewinnen, solange die Mitarbeiter klug ausgewählt werden und gegenseitiges Vertrauen herrscht.“

Der Kardinal betont, dass „die Erfahrung zeigt, dass Laien und Priester die Grenzen ihrer Kompetenz nicht überschreiten dürfen“. Die Priester sollten „der Versuchung widerstehen, sich als Bauherren, Vermögensverwalter oder in anderen weltlichen Bereichen einen Namen zu machen“, während die Laien „Kanzel und Altar nicht als ihren ‚Arbeitsplatz‘ betrachten sollten“.

Abschließend äußert er die Hoffnung auf eine echte Komplementarität, die die Rolle des Klerus und der Laien gleichermaßen respektiert und auch heute ihre missionarische Wirkung unter Beweis stellt:

„Je mehr der gottlose Zeitgeist der Kirche ins Gesicht bläst, desto notwendiger wird eine enge Solidarität zwischen Gläubigen und Priestern. Vielleicht werden dann auch die ‚Heiden‘ von heute, wie sie es taten, in bezug auf die Christen sagen: ‚Seht, wie sie einander lieben.'“

„In der Tat“, sagt er, „könnten lebendige Gemeinschaften, wie Inseln im Meer, einen sicheren Hafen für Menschen bieten, die ziellos in den Wellen des Zeitgeistes treiben.“

Möge die Wahrheit der Äußerungen von Kardinal Sarah und Kardinal Brandmüller in der ganzen Welt widerhallen und Bischöfe, Priester und Laien über Kamerun und Deutschland hinaus erreichen. Ihre Stimme ist die Stimme der Nachfolger der Apostel, die zu ihren Herden spricht und jedem das gibt, was ihm gebührt, indem sie die Gerechten stärkt, die Entmutigten ermutigt und die Verlorenen auffordert, ihren Weg wiederzufinden. Möge es mehr solcher Stimmen geben!

Quelle: voice of the family

NEWS: Bergoglios „Indietrismus“

Nach viel Kritik am Indietrismus und an der Treue zur Tradition greift jetzt Papst Bergoglio selbst auf die Vergangenheit zurück, um einen historischen päpstlichen Titel zu manipulieren, aber nicht den des Stellvertreters Jesu Christi, auf den er 2020 verzichtete. In diesem Fall findet sich zumindest ein wenig Kohärenz, ein Attribut, das in seinem Pontifikat ansonsten völlig fehlt.

Die Päpstlichen Jahrbücher 2006 und 2020 im Vergleich: links Papst Benedikt XVI., rechts Papst Franziskus. Der Titel eines Patriarchen des Abendlandes fehlt in beiden Ausgaben, da er in jenem Jahr von Benedikt XVI. abgeschafft und erst 2024 von Franziskus wiedereingeführt wurde, zumindest als Fußnote.

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In den elf Jahren seines Pontifikats hat Jorge Mario Bergoglio als Franziskus deutliche Zeichen gesetzt, daß er die Kirche „reformieren“ will, indem er mit der zweitausendjährigen Vergangenheit der katholischen Kirche bricht. Einerseits indem er das zweitausend Jahre alte Lehramt, das ihm vorausging, und die lebendige Tradition beiseite läßt und andererseits indem er stattdessen oberflächliche oder falsche Neuinterpretationen der Heiligen Schrift vornimmt. Dies geschieht ohne die geringste exegetische, spirituelle oder mystische Verankerung, dafür aber mit psychologischen oder intimen Interpretationen, ähnlich wie bei den so sehr in Mode gekommenen Selbsthilfetechniken. Den jüngsten Beweis dafür lieferte das Regina Caeli vom vergangenen Sonntag, das die kerygmatische Verkündigung des Mysteriums des auferstandenen Jesus Christus auf das „Zeugnis“ des einzelnen Gläubigen reduziert und die Betonung auf „mich“, auf sich selbst, und nicht auf Christus legt: „Wann habe ich den Herrn gefunden? Wann ist der Herr mir nahe gekommen? Laßt uns in der Stille nachdenken. Und diese Begegnung mit dem Herrn, habe ich sie geteilt, um dem Herrn selbst die Ehre zu geben? Und habe ich dann den anderen zugehört, als sie mir von dieser Begegnung mit Jesus erzählten?“ 1 Typischer jesuitischer Psychologismus, aber eines Jesuiten nicht würdig.

Das Aufgeben und das Verbot der lateinischen Liturgie und des lateinischen Ritus, die im Leben der Kirche ebenfalls zweitausend Jahre widerspiegeln, zugunsten einer einzigen Form der liturgischen Feier, des sogenannten Novus Ordo Missae, der 1969 von Papst Paul VI. promulgiert wurde, war der andere große Schritt zur Beseitigung der Verbindung zwischen der lebendigen Tradition der Kirche und der neuen Ära, die durch das bergoglianische Pontifikat eingeleitet wurde (gemäß dem wahnhaften Geschwafel des pornographischen Theologenkardinals der Römischen Kurie, der für die Deformation des Glaubens verantwortlich ist).

In Wirklichkeit bedeutet das Pontifikat des gegenwärtigen Bischofs von Rom weder eine Kontinuität noch eine Reform der katholischen Kirche, sondern vielmehr einen Bruch mit ihrer zweitausendjährigen Geschichte, was sich deutlich in der Förderung der Synodalität als neuer exklusiver Form des institutionellen Lebens zeigt, wobei ihr katholisches, apostolisches und römisches Wesen außer Acht gelassen wird, um sie in ein Gremium parlamentarischer Beratungen zu verwandeln, in dem nur das Oberhaupt Macht hat. Damit verbunden ist der Vorrang der pastoralen vor der doktrinären Konzeption sowie die Verdrängung Jesu Christi als Zentrum, Fundament und Kern des kirchlichen Lebens, an dessen Stelle die Gemeinschaft von Gläubigen und Nicht-Gläubigen, die in Brüderlichkeit verbundenen Menschen, als höchster Wert tritt, eine Gemeinschaft, die durch einen horizontalen Dialog vereint wird.

Um diese „neue“ bergoglianische Kirche zu stärken, hat es sich der Jesuitenpater Jorge Mario zur Aufgabe gemacht, die lehrmäßige Orthodoxie und ihr Fundament in der reichen und lebendigen Tradition als eine Sache der Vergangenheit abzulehnen und zu verachten, indem er jene, die sich auf sie, auf das traditionelle Lehramt und auf die strikte Einhaltung der in der Heiligen Schrift enthaltenen Prinzipien stützen, als Traditionalisten, Essigsaure, Rückwärtsgewandte, Starrköpfe, Indietristen usw. abqualifiziert, weil sie in der Vergangenheit verankert geblieben sind. Laut Franziskus richten sich alle ihre Bezüge auf die Vergangenheit, auf das, was zurückgeblieben ist, und sie blicken nicht auf die Zukunft als Handlungsfeld mit neuen Kriterien und Paradigmen.

Im Grunde genommen ist diese Position des JMB nicht katholisch, denn in Wirklichkeit hat sich das Christentum von seinen Ursprüngen her entwickelt, ohne je seine Wurzeln – die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi, des Wortes Gottes – aufzugeben, sondern unter Berücksichtigung des kulturellen, geistigen und religiösen Umfelds, in dem es verkündet wurde, den Dialog des Glaubens mit der Vernunft und der Kultur zu fördern, um das zu verwirklichen, was der heilige Johannes Paul II. als schöpferische Treue bezeichnet hat2, d. h., eine erneuerte Evangelisierung zu fördern, die „neu ist in ihrem Eifer, in ihren Methoden des Apostolats und in ihrer Ausdrucksform, die dem heutigen Menschen zugänglich ist“, aber ihren „Inhalt unveränderlich und beständig bewahrt“.3 Vinzenz von Lérins nannte die Verkündigung „auf neue Weise, aber nicht Neues“ (non nova, sed noviter)4, eine Lehre, die in unseren Tagen von Maestro Aurelio Porfiri in einem Text, dessen Lektüre und Studium wir empfehlen, klar und tiefgründig erläutert und entwickelt worden ist.5

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Aber vor wenigen Tagen hat Bergoglio der Kirche und der Welt in einem wahren Akt des Indietrismus eine große Überraschung bereitet. Im Jahr 2020 verzichtete er auf die Titel, die bis dahin Teil des Petrusamtes waren,6 wie aus dem Päpstlichen Jahrbuch hervorgeht, das im März jenes Jahres veröffentlicht wurde, und die nur mehr unten auf der Seite als „Historische Titel“ aufgeführt wurden, d. h. als etwas Vergangenes (das nicht mehr aktuell ist), und alles ohne den Namen Franziskus, sondern nur mit dem bürgerlichen Namen JORGE MARIO BERGOGLIO (alles in Großbuchstaben und in einem größeren Format als die übrigen Buchstaben auf der Seite).

In der diesjährigen Ausgabe des Päpstlichen Jahrbuchs erscheint der Name von Franziskus jedoch auf der Seite, die dem Papsttum gewidmet ist, als Bischof von Rom und Patriarch des Abendlandes, ein Titel, den Benedikt XVI. 2006 aus den päpstlichen Attributen entfernt hatte, weil er, wie manche irrigerweise behaupteten, erst spät (1863) institutionalisiert worden sei und als veraltet gelte. Es handelt sich um einen Titel, der sich auf einen Zeitpunkt in der Geschichte bezieht, der derzeit weder kirchliche noch politische Gültigkeit oder Relevanz hat. Er wurde erstmals offiziell von Papst Theodor I. im Jahr 642 n. Chr. verwendet.

Jetzt, in einem Akt von echtem Indietrismus, von echter „Rückständigkeit“ und historischem Rückschritt, rehabilitierte ihn der Bischof von Rom – wenn auch nur als „historischen Titel“ –, vernachlässigt aber weiterhin die bedeutenderen Titel, die er selbst abgelegt hat, offensichtlich, weil sie ihm zu groß sind und ihn überragen, insbesondere der des Stellvertreters Jesu Christi, den er seit dem vergangenen Jahr nicht nur im Jahrbuch, sondern in einem echten ekklesialen Staatsstreich aus dem Zentrum des kirchlichen Lebens verdrängt hat, um den neuen ‚Geist‘ zu etablieren, den synodalen…

*José Arturo Quarracino, emeritierter Professor der Philosophie an der Universidad del Salvador in Buenos Aires, Neffe von Kardinal Antonio Quarracino, der als Erzbischof von Buenos Aires und Primas von Argentinien den Aufstieg des Jesuitenpaters Jorge Mario Bergoglio möglich machte.

Quelle: katholisches.info